„This is Uganda“

Feldnotizen vom 02.02.16

Wieder ist ein Tag rum. Die Zeit hier vergeht schnell, vor allem wenn die Tagesplanung durchgetaktet ist. Auch heute habe ich drei Interviews geführt. Insgesamt sind es damit schon acht Stück, nicht schlecht für den Beginn. Natürlich kommt es nicht auf die Anzahl, sondern auf die einzelnen Gesprächspartner an, aber bei den bisherigen waren bisher immer interessante neue Aspekte dabei – eine theoretische Sättigung, also in diesem Fall ständig ähnliche Antworten, ist noch nicht eingetreten, auch weil ich die Fragen des Leitfadens sehr individuell anpasse. Diesern dient ja zur Orientierung, oft werden Fragen schon beantwortet, ohne das sie gestellt wurden. Außerdem greife ich meistens Aspekte von Antworten anderer Interviewpartner auf und diskutiere mit den Leuten darüber.

Als ich in der Früh auf das Boda Boda steige, beginnt sofort wieder eine Diskussion: „We need change“ ruft der Fahrer gegen den Fahrtwind an. Es ist interessant, wie hoch politisiert die zehntausenden Mopedtaxifahrer sind (manche Quellen sprechen von bis zu 200.000 Boda Boda-Fahrern alleine in Kampala, überprüfbar ist das nicht). Bei jeder Fahrt diskutieren wir und bisher alle wollten einen Wandel. Oft ist ihnen egal, ob es Dr. Besigye (FDC) oder Mbabazi (Go Forward) wird. Dabei sind die beiden oppositionellen Kandidaten für die Boda Bodas nicht unbedingt perfekt, der eine kandidiert nun schon zum vierten Mal, der andere war bis 2014 Ministerpräsident und zweiter Mann im Staat nach Museveni. „You rather vote for a half rotten mango, than a full rotten mango“, lieber stimmt man für eine halbverfaulte Mango, als für eine komplett verschimmelte, schreit der Fahrer. Dieser Ausspruch bringt mich zum Lachen. Insgesamt sind die Boda Bodas stark organisierte Vereinigungen, ich würde sie schon fast als Pressure Groups bezeichnen, die vor allem für die Opposition eintreten. Denn viele der Straßen sind in extrem schlechten Zustand und sie haben ein Interesse daran, dass sich dies ändert. Ihnen kommt auch bei der Verbreitung von Informationen eine wichtige Rolle zu. Sie können mit ihren Motorrädern in die abgelegensten Winkel des Landes fahren, egal wie schlecht die Straße ist, um Informationen über Wahlkundgebungen der verschiedenen Parteien zu verbreiten und die Leute zu mobilisieren. Für Menschen ohne internetfähiges Smartphone ist dies besonders wichtig.

Richard Wanambwa – Daily Monitor ist dicht

Mein erstes Gespräch findet in der Ntinda Quality Shopping Mall statt. Ich treffe Richard Wanambwa, einem der Macher der Internetzeitung Eagles Online. Er ist einer der besten Investigativjournalisten des Landes und hat bis Anfang 2015 beim Daily Monitor gearbeitet. Im Mai 2013 wurde er landesweit bekannt, als die Polizei den Daily Monitor für elf Tage schloss. Warum? Wanambwa hatte, zusammen mit einem Kollegen, einen Brief des Top-Generals Sejusa (auch bekannt unter dem Namen Tinyefuza) veröffentlicht, in dem davon gesprochen wurde Persönlichkeiten, die gegen Musevenis Sohn als Präsidentschaftserbe sein könnten, ermorden zu lassen. Als mögliche Ziele wurden dabei unter anderem der jetzige Konkurrent Musevenis und damalige Ministerpräsident Mbabazi genannt.

Richard Wanambwa

Richard Wanambwa, Mitherausgeber von Eagel Online, im Gespräch

Sejusa musste danach bis Dezember 2014 ins Exil nach London gehen und die Polizei wollte unbedingt herausfinden, wer den Brief geleaked hatte. Da Wanambwa die Quelle nicht Preis geben wollte, wurde er für einige Tage inhaftiert und die Produktion des Monitors gestoppt. Mehr Infos dazu hier. „Bis heute weiß die Polizei nicht, wo der Originalbrief versteckt ist und wer ihn uns gegeben hat“, sagt er mir grinsend ins Gesicht. Auch heute noch scheint er gut vernetzt zu sein. Ständig klingeln seine drei aufeinandergestapelten Handys und ihn erreichen Informationen für Artikel auf der neuen Eagles-Online-Seite. Diese Vernetztheit schütze ihn auch vor Zugriffen des Staates, meint der Journalist. Er kenne Leute, die wiederum Leute kennen, die andere Leute kennen und so sei er relativ sicher.
Im Interview fällt mir allerdings auf, dass er sich oft umblickt, Menschen die an uns vorbei laufen ausführlich mustert und nicht ganz ruhig zu sein scheint. Ich spreche ihn noch mal auf die Sicherheit an. Klar, sagt er, nimmt er jeden Abend eine andere Route nach Hause, stoppt und schaut, ob ihm jemand folge und beim Essen passe er auch auf. Stichwort Gift. Trotzdem: Uganda habe in Ostafrika das freieste Mediensystem, selbst Kenia würde hintenanstehen, sagt Wanambwa. Auch die Justiz ist für ihn relativ unabhängig, deshalb fürchte er sich nicht vor rechtlicher Verfolgung. Doch die Zeit nach den Wahlen sieht er, wie so viele Gesprächspartner davor, für die Medien in Uganda eher schwarz.
Wir reden weiter, über Print und Onlinejournalismus und über Investigativrecherche in Uganda. Die eagle-Seite richte sich vor allem an die Mittel- und Oberschicht, da dies die „Decision Maker“ seien, so der Journalist.

Tinyefuza-Skandal

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A pro pos General Sejusa/Tinyefuza. Dieser wurde am vergangenen Sonntag festgenommen. Das ist DER große Skandal in den letzten Tagen. Ihm wird unter anderem unerlaubtes Fehlen vom Dienst, sowie politische Parteinahme vorgeworfen. So war er Ende 2015 auf einer Kundebung des FDC-Kandidaten, Dr. Kizza Besigye aufgetreten. Politische Betätigung seitens Militärangehöriger sei durch die Armeestatuten verboten, so die Begründung bei der Festnahme. Interessant ist aus der KW-Sicht, wie die Zeitungen nun darüber berichten. Dies zeigen die folgenden drei Bilder sehr schön. Während die staatsnahe Zeitung New Vision in der Überschrift die Stellungnahme der Regierung aufgreift, geht die Daily Monitor auf Aussagen des Generals ein. 2016-02-02 12.39.49Die Red Pepper, die Bild-Zeitung Ugandas, hat natürlich eine Specialstory: Ein Exklusivinterview mit Sejusa aus dem Knast. (Beim Durchlesen stellt sich dann heraus, dass es eigentlich nur eine Erklärung Sejusas ist, die von seinem Anwaltsteam verlesen wurde – die Methoden des Boulevardjournalismus sind anscheinend überall ähnlich). Während sich auch auf den Social Media Seiten der Daily Monitor und des Red Peppers die Berichte und Fotos von der heutigen ersten Gerichtsanhörung nur so stapeln, ist es auf der New Vision Seite relativ ruhig zu diesem Thema – vermutlich will die Regierung den Ball, so kurz vor der Wahl, flach halten. Tinyefuza bedeutet übrigens so viel wie „Ich bedauere nicht“.  2016-02-02 12.38.13

Bernard Opwonya – Der Fernsehmann

Nach einer kurzen Pause fahre ich, wieder mit dem Boda Boda, ins Serena Conference Center in der Stadtmitte. Im Untergeschoss des großen Kongressgebäudes liegen die Studioräume von NTV, einem der größten Fernsehsender des Landes, zugehörig zur Nation Media Group, die dem schon erwähnten Agha Khan gehört. Dort treffe ich mich mit dem sympathischen Bernard Opwonya, einem Senior-Journalisten, den ich schon 2014 interviewt hatte.

Bernard Opwonya

Bernard Opwonya – NTV

NTV war vor zwei Wochen im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden, da die Presidential Press Unit (PPU) dem TV-Sender für mehrere Tage verbot, von den Kundgebungen des Präsidenten zu berichten. Der Fernsehsender hatte sich geweigert, die vom Media Center (das an die PPU angebunden ist) angebotenen Drohnenaufnahmen von NRM- Wahlversammlungen zu verwenden. Dies sei den anderen KandidatInnen gegenüber unfair, da diesen keine solchen ansehnlichen Drohnenaufnahmen zur Verfügung stünden, argumentierte der Sender. Einige Tage wurde gestritten, NTV durfte nicht bei den Kundgebungen dabei sein und dann kam eine, wie Opwonya sagt, „Anweisung von oben“ und… alles blieb beim Alten: Die Drohnenbilder werden jetzt auch von NTV verwendet. „This is Uganda“ sagt der Journalist lächelnd.

Wieso kommt es wegen so etwas eigentlich zum Streit? In diesem Fall gilt: Die Größe ist doch entscheidend. Wer die meisten Menschen auf eine Kundgebung ziehen kann, scheint den jeweiligen Wahlkampftag zu gewinnen. Heute war dies sicherlich Dr. Besigye, der in Mbarara vor zehntausenden Menschen sprach. Da Menschenmengen bei Drohnenaufnahmen immer sehr beeindruckend aussehen, werden diese von der Presidential Press Unit eingesetzt und das obwohl der Einsatz von Kameradrohnen in Uganda verboten sein soll, nachdem mal eines dieser Dinger im Garten von Museveni eine Bruchlandung hatte. Bisher wurden auch viele Photoshop-Fälschungen, von Kundgebungen aufgedeckt, um diese größer wirken zu lassen.

FDC Boda Boda

Besigye-Kundgebung in Mbarara. Man achte auf das FDC Boda Boda – Transparent. Quelle

Unser weiteres Gespräch dreht sich um die gesetzlich (Electronic Media Act, 1996) festgeschriebene Gleichbehandlung von Kandidaten im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen (UBC), die de facto aber nicht umgesetzt werde. So berichten das staatliche, aber der Verfassung nach öffentlich-rechtliche, TV so gut wie nie über Oppositionskandidaten. Übrigens gibt es insgesamt acht Präsidentschaftskandidaten, aber eigentlich wird nur über die drei großen, M7, Mbabazi und Besigye geredet. Die Chancen zu gewinnen seien bei den anderen Parteien sehr gering, „etwa so groß, wie die Überlebenschancen eines Schneeballs in der Hölle“, so der TV-Journalist. Derzeit beobachtet er einen neuen Taktik der Vereinnahmung seitens der Regierung. So wurden in den letzten Monaten einige wirklich große Journalisten eingekauft und mit Regierungsämtern bekleidet. Diese verhalten sich jetzt teilweise feindlich gegenüber ihren ehemaligen KollegInnen.

Halleluja!

Als ich das Konferenzzentrum verlassen will, bemerke ich eine große Veranstaltung im großen Saal des Hauptgebäudes, hunderte Menschen mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck strömen herein. Da es noch Zeit bis zum nächsten Interview ist, erkundige ich mich nach der Veranstaltung. „Its a Zoe Fellowship“ sagt mir eine etwas zu nette Dame. Aha.

Halleluja und so.

Halleluja und so.

Evangelikale Christen treffen sich zum Singen, Beten und Ohnmächtig werden. Aus Spaß an der Freude setze ich mich in den Saal und in der Tat ist es so, wie man es von allen Klischees kennt. Das Foto spricht für sich. Lange halte ich das nicht aus und gehe. Beim Verlassen des Raumes fragt mich die Frau vom Anfang, ob ich denn nächste Woche wieder komme und wie ich denn heiße? „Kareem“ antworte ich grinsend. Ihr lächeln erstarrt: „Aha, ok, then… But you can come anyway“. Ich denke nicht. Wer mehr über den Einfluss aus den USA kommender evangelikaler Sekten erfahren will, der sollte sich unbedingt den Dokumentarfilm „God Loves Uganda“ ansehen – er gibt auch eine teilweise Erklärung dafür, wieso dieses Land so homophob ist.

Achola Rosario – Go Forward

Das letzte Interview führt mich an den Stadtrand von Kampala, auf eine Tankstelle neben der Straße nach Entebbe. Dort treffe ich mich mit Achola Rosario. Die Journalistin ist zugleich Medien-Aktivistin für das Wahlkampfteam von Mbabazis Go Forward. Sie hat über Wochen die Wahlkampftour begleitet und war dabei für die Betreuung der Journalisten verantwortlich. Das Gespräch ist äußerst interessant. Anscheinend dauern diese Touren mehrere Wochen am Stück.

Achola Rosario aus dem Wahlkampfteam von Amama Mbabazi

Achola Rosario aus dem Wahlkampfteam von Amama Mbabazi

Während dieser Zeit berichten immer die gleichen, etwa zwanzig Journalisten, von den Kundgebungen. Sie bekommen dafür täglich umgerechnet ca. 20$, sowie eine Unterkunft und Verpflegung Und zwar alles bezahlt aus dem Wahlkampffond von Mbabazi. Das heißt, nicht die Medienhäuser von denen sie geschickt werden, sondern die Kandidaten, über die sie berichten, bezahlen die Journalisten. Dies sei bis auf die großen Medien, wie NTV, die die Touren in eigenen Wagen begleiten, normal und bei anderen Parteien auch so, sagt Rosario. Anders könnten die Journalisten in dieser Zeit gar nicht überleben, sie sind auf das Geld, dass ihnen die Parteien zahlen, angewiesen. Nach ca. einem Monat, werden die meisten Journalisten, die sogar in den Partei-Wägen mitfahren, ausgetauscht und neue eingeladen, damit eine Berichterstattung in allen Medien erfolgt.
Das Gespräch ist auch deshalb so interessant, weil es eine ganz andere Sicht deutlich macht. Anchola ist aber durchaus in der Lage die Perspektive zu wechseln, denn sie ist ja auch Journalistin. Nur was sie nach den Wahlen machen wird, wenn diese für Mbabazi verloren gehen, weiß sie noch nicht. Ihr Name sei nun verbrannt, kein großes Medium würde sie mehr einstellen, weil sie für einen oppositionellen Politiker gearbeitet habe und als nicht mehr objektiv gelte. Was sie denn dann nach dem 18.2. machen werde, frage ich sie. „Dokumentarfilme drehen“ antwortet sie mit einem Grinsen.

PS: Morgen, am 03.2.16, wird es keinen Bericht geben, da ich nur von zu Hause arbeiten werde und  keine Interviews geplant sind.