Ein Besuch im Parlament

Feldnotizen vom 05.02.16

Am gestrigen Freitag ging es in der früh zuerst ins Bunga-Viertel am Stadtrand von Kampala. Dort liegt das African Center for Media Excellence, das von Dr. Peter Mwesige und Bernard Tabaire gegründet wurde.DSC00620 „ACMEs Ziel ist die Medien zu einer effektiveren Plattform für Informationen über öffentliche Angelegenheiten, zu einem Werkzeug die offizielle Macht zu beobachten und zu einem Forum lebendiger öffentlicher Debatte werden zu lassen“, so das Selbstverständnis der NGO. Derzeit betreibt ACME im Auftrag von CEON-U, dem Bürgerschaftlichen Wahlbeobachtungsnetzwerk – Uganda,  ein aufwendiges und in Uganda einzigartiges Forschungsprojekt zur Beobachtung der Wahlberichterstattung.

Monitoring Election Coverage

Mit dem Direktor des Projekts, Mohles Kalule, treffe ich mich als erstes. In einem aufgehitzten Wellblechhaus, in dem ungefähr ein Dutzend junger Menschen vor Laptops sitzen, erklärt er mir, was sie genau machen. Das Projekt besteht aus vier Managern und 15 Kodierern, meist Bachelor- und MasterabsolventInnen des Department for Journalism and Communication an der Makerere Universität. Sie alle beobachten seit September die Wahlberichterstattung von neun Tageszeitungen, fünf Fernsehsendern, 33 Radios und Social Media (ausschließlich Twitter). Jeden Monat geben sie auf einer Pressekonferenz einen Bericht heraus und diskutieren die Ergebnisse. Ziel sei es nämlich schon vor den Wahlen Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen und nicht erst nachträglich nur zu kritisieren, wie dies in den vergangenen Urnengängen immer der Fall gewesen sei.

Science-Selfie - Mohles hat drauf bestanden

Science-Selfie – Mohles hat drauf bestanden

Die Ergebnisse des neuesten Dezember-Bericht sind äußerst interessant: Im Dezember war Präsident Museveni auf fast 40% aller wahlbezogenen Titelseiten der Tageszeitungen zu sehen, dicht gefolgt von Mbabazi mit 36%. Auf Platz drei liegt mit ca. 21% Dr. Besigye. Die Fokussierung auf diese drei Kandidaten wird deutlich, wobei es ja eigentlich insgesamt acht Bewerber gibt. Auf der Titelseite der größten Tageszeitung des Landes, der New Vision, die zu 51% dem Staat gehört, war Museveni zu 52% zu sehen, während er bei der zweitgrößten Zeitung, dem eher oppositionellen Daily Monitor, nur in 32% der Fälle zu sehen war. Interessant ist, dass im September und Oktober  Mbabazi noch insgesamt an erster Stelle der Titelseitenberichterstattung stand. Es ist also nicht so, dass nur der amtierende und erneut kandidierende Museveni immer an erster Stelle steht. Der sogenannte Kanzlerbonus (in Uganda müsste man sagen Präsidentenbonus) ist also bezüglich der Titelseiten nicht immer wirksam. Bezüglich des Platzes und der Zeit der Berichterstattung über einen bestimmten Kandidaten liegt Museveni im Dezember deutlich vorne. Auffällig ist dies erwartungsgemäß im öffentlich-rechtlichen Fernsehen UBC, dort gehen fast 80% aller Wahlberichte über ihn.

Hier findet das Media Monitoring statt

Hier findet das Media Monitoring statt

In die Analyse fließt auch der Tenor der Berichterstattung (negativ, positiv, neutral) mit ein. Auffallend ist hier, das Medium übergreifend, der Tenor zu jeweils mehr als 60% neutral ist und zwar egal um welchen Kandidaten es sich handelt. Eine Überprüfung der von den Kandidaten gemachten Angaben auf Wahlkampfreden, Pressekonferenzen etc. erfolgt hingegen so gut wie nie und Berichte basieren zu zwei Dritteln auf nur einer Quelle. Die Ergebnisse habe ich hier nur sehr grob zusammengefasst, ausführlicher findet ihr sie hier.
Nach den Wahlen wird ein großer Abschlusbericht herausgegeben, der für meine Masterarbeit natürlich sehr interessant ist, denn hier lassen sich viele Aussagen in den Experteninterviews mit Fakten des Berichts gegenchecken. Die Einflussnahme auf die Medien und ihre Berichte ist ein wichtiges Ziel der Berichte. Jeden Monat trifft sich ACME mit Journalisten, um die Ergebnisse diskutieren, doch mit welchen Folgen?

Die Kodierer bei der Arbeit

Die Kodierer bei der Arbeit

Ein Kritikpunkt der letzten Berichte war immer wieder die geringe Präsenz von Aussagen von Frauen zu den Wahlen. Bei einigen Zeitungen ist diese Zahl nun gestiegen. Der Daily Monitor hat einen sogenannten Fact Checker eingeführt, der die Aussagen der Kandidaten untersucht und mit der Wirklichkeit vergleicht. Im staatlichen (eigentlich öffentlich-rechtlichen) Sender UBC, erzählt Mohles, wurden die Ergebnisse kritisch mit negativem Tenor diskutiert, ohne auch nur auf ACME und die Herkunft des Berichts zu verweisen. Der Vorwurf: Von westlichen Agenten in Auftrag gegebene Propaganda. Und das obwohl UBC eigentlich durch den Presidential Election Act (2005) laut §23 gesetzlich dazu verpflichtet ist alle Präsidentschaftskandidaten gleich zu behandeln.
Nach dem Gespräch führt er mich noch durch das Forschungsgebäude und stellt mich den Kodierern vor

„Medien behandeln keine Medien-Themen, wir machen das“

Etwas verspätet trifft der Institutsleiter Dr. Peter Mwesige ein, wir führen ein allgemeines Gespräch über das Institut, die Wahlen und Uganda. Es ist ihm wichtig festzuhalten, dass ACME in seiner Tätigkeit seitens der Regierung keine Steine in den Weg gelegt bekommt. „Unsere Berichte werden sowieso nur von der Mittel- und Oberschicht gelesen und nicht von der Wählerbasis Musevenis, deshalb interessiert es die Regierung nicht so sehr was wir machen“.

Dr. Peter Mwesige und Neslons Mandela

Dr. Peter Mwesige und Neslon Mandela

Insgesamt läuft der Wahlkampf ohne größere Störungen oder Einflussnahme auf die Medien ab. Einige Journalisten würden dazu neigen die Situation und Bedrohung der Medien übertrieben darzustellen, so Mwesige. Dabei seien die Probleme des Mediensystems vielmehr struktureller Art: schlechte Ausbildungsmöglichkeiten, sehr geringe Bezahlung und Kompetenzprobleme der Journalisten stellten auch bei diesen Wahlen eine größere Bedrohung dar, als staatliche Repression. Insgesamt habe sich die Situation aber zu den Wahlen 2011 und 2006 verbessert, meint der Institutsleiter. Den Wählern stehen medial viel mehr Informationen über die Kandidaten und Parteien zur Verfügung und die Verbreitung von Social Media „ist der wirklich große Unterschied zu den anderen Wahlen“. Eine Berichterstattung über Medien(defizite) innerhalb der Medien finde aber nicht statt – diese Lücke soll von ACME gefüllt werden. Mit dem Projekt ugandajournalistsresourcecentre.com stellt ACME Journalisten darüber hinaus noch eine Datenbank mit Hintergrundinformationen zu den Wahlen und ökonomischen Entwicklungsdaten zur Verfügung, die diese für ihre Artikel als Quelle benutzen können. Es freut mich, dass sich Peter Mwesige so viel Zeit genommen hat, um mit mir über den Zusammenhang von Medien und Wahlen in Uganda zu reden.
Gegen Ende des Besuchs zeigt mir Mathias Mulumba, der seit 1995 Journalist und seit letztem Jahr für die Evaluierung der von ACME durchgeführten Projekte zuständig ist, noch die restlichen Räumlichkeiten und gibt mir weitere Kontakte und Broschüren mit relevanten Informationen.

Besuch im Parlament

Mittags bin ich mit Chris Obore verabredet. Er ist Direktor des Parlaments für Kommunikation und öffentliche Angelegenheiten. Damit ist er das Verbindungsglied zwischen Parlament und Medien beziehungsweise den einzelnen Journalisten, die aus dem Parlament berichten.

Chris Obore hinter seinem Schreibtisch

Chris Obore hinter seinem Schreibtisch

Sein Amt wird direkt vom Sprecher des Parlaments ernannt. Erst seit September 2015 befindet er sich an dieser Position, davor war er Journalist beim Daily Monitor und Moderator der KFM D’Mighty Breakfast Show. Ursprünglich wollten wir uns in einem Lokal in der Nähe des Parlaments treffen, aber dann ist er so im Stress, dass er sagt, ich solle ihn in seinem Büro im Parlament besuchen. Nach einigen Sicherheitskontrollen, Laptop- und Kameraüberprüfungen, die von sehr nettem Sicherheitspersonal durchgeführt werden, stehe ich vor seinem Schreibtisch. Neben ihm sitzt seine junge Tochter, vielleicht neun Jahre alt und schaukelt gelangweilt mit den Beinen. Wir sprechen über seine Anordnung, dass ab sofort nur noch Journalisten mit einem Uni-Abschluss und mindestens dreijähriger Berufserfahrung aus dem Parlament berichten dürfen. Diese wurde von den (betroffenen) Journalisten heftig kritisiert, unter anderem von Kajangu Moses, dem Generalsekretär der Interessensorganisation der Parlamentsjournalisten UPPA, den ich drei Tage zuvor interviewt hatte. Für Moses kommt dies einem Ausschluss kritischer Journalisten gleich. Obore verneint das heftig, es gehe ihm um Qualitätssicherung: Nur wer einen Abschluss und eine große Redaktion im Rücken habe, könne gut und objektiv aus dem Parlament berichten, denn die meisten Freelance-Journalisten im Parlament stünden auf irgendwelchen Gehaltslisten der Abgeordneten und würden damit zum Hofberichterstatter derjenigen Parlamentarier, die am meisten zahlten. Journalisten mit Abschluss hingegen, verdienen in der Regel mehr und sind unabhängiger von „Braunen Umschlägen“, wie Korruptionsgelder im ugandischen Journalismus genannt werden. Außerdem sieht er diese formalen Zugangsbeschränkungen für Journalisten auch als Teil des Institutionen-Buildings, um, angefangen im Parlament, einen unabhängigen und qualitativen Journalismus zu fördern. Eine interessante Perspektive.

Der Eingang zum Sitzungssaal des Parlaments

Der Eingang zum Sitzungssaal des Parlaments

Ich schaue auf die Uhr und obwohl Obore zu Beginn des Gesprächs gesagt hat, er habe maximal 20 Minuten Zeit, sprechen wir jetzt schon doppelt so lange.Nun heißt es wieder aus dem Parlament herauszukommen – zwei X-Rays und Bücher, in denen die Seriennummer der Kamera und des Laptops notiert werden, später bin ich draußen und fahren zum National-theater, in dessen Garten ein alter Bekannter wartet.

Dennis Kawuma – „Der Aussteiger“

Dennis Kawuma wartet mit einem breiten Lächeln im Hof des Theaters. Wir kennen uns bereits vom Oktober 2014. Damals hatte ich ihn als Wirtschaftsjournalist des Daily Monitor interviewt. Mittlerweile ist er nicht mehr im Journalismus tätig, sondern hat den Absprung geschaft und arbeitet für die PR-Abteilung einer größeren afrikanischen Bank. Absprung?

Dennis Kawuma

Dennis Kawuma

Ja, denn für viele ist der Journalismus in Uganda nur eine kurze, schlecht bezahlte Phase ihres Arbeitslebens. Man knüpft Kontakte, zu politischen Parteien oder Unternehmen und hofft dann, nach einigen Jahren einen entsprechenden Job zu finden. „Für mich waren zwei Faktoren entscheiden: meine sozio-ökonomische Position und die Karriere – deshalb bin ich nicht mehr im Journalismus“, sagt Dennis. Er verdiene jetzt viel besser und an seiner alten Stelle im Monitor hätte er gar nicht mehr weiter aufsteigen können, zu groß sei die Konkurrenz um den Posten des Chefredakteurs. Das Interview ist interessant, da hier die Beweggründe eines Journalismus-Aussteigers deutlich werden, der trotzdem einen profunden Blick auf den Zusammenhang von Medien und Wahlen hat. Auch für ihn berichten die Medien bei diesen Wahlen relativ frei. Dies liege an zwei Gründen: Erstens wegen der weiten Verbreitung von Social Media, dadurch seien die Menschen wesentlich informierter und bei irgendwelchen Vorkommnissen würde sofort die halbe Welt Bescheid wissen. Zweitens wegen Mbabazi, dem ehemaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Kontrahenten von Museveni. Dieser sei viel zu nah an der Macht gewesen und würde wissen, wie der Hase läuft. Deshalb würde die Regierung die klassischen Mittel der Einschränkung der (Medien-)Freiheit nicht anwenden.
Mit der Abmachung uns die Tage auf ein Bierchen zu treffen, gehen wir unserer Wege. Da dieser Artikel droht wieder mal überlang zu werden, beende ich ihn hier. Auch wenn der heutige Samstag viele neue Informationen und Einsichten gebracht hat. Dazu morgen Abend dann mehr.

PS: Eine amüsante Nachricht noch. Heute stach folgende Schlagzeile der New Vision ins Auge: „Bugusi-Frauen werden die Schlafzimmer dazu benutzen, um ihre Männer davon zu überzeugen für Museveni zu stimmen“. In dem Artikel geht es darum, dass einige Frauen aus Bulambuli fürchten, ihre Männer könnten für den FDC-Kandidaten Besigye stimmen. Um dies zu verhindern, drohten sie nun ihren Ehepartnern mit Sexentzug. Witzig. Aber Scherz beiseite, die Unterstützung von Frauen für Museveni ist auffällig, da sie in der NRM eine Garantin für Frauenbeteiligung und -rechte sehen.

PPS: Das African Research Institute hat heute eine interessante Analyse unter dem Titel „Stetiger Fortschritt? 30 Jahre Museveni und NRM in Uganda“ veröffentlicht, die einen Blick wert ist.